Die Katzenprinzessin   

  
      Eine wundervolle Geschichte von Christine Bülow

 

Ein neuer Freund

Es war einmal eine kleine Katze. Sie hieß Kitty. Ihr Fell war silberfarben und es schimmerte im Licht. Sie war ein bisschen dünn, aber ansonsten völlig gesund. Ihr Fell war gepflegt und geschmeidig. Die Augen waren wie zwei leuchtende Smaragde, denn sie waren hellgrün.

Kitty war eine Straßenkatze und lebte in einer großen Stadt. Eines Tages schlief sie wieder einmal hinter vielen Mülltonnen in einer Gasse. Plötzlich wachte sie auf. Sie gähnte sehr ausgiebig und streckte sich dann. Erst die Vorderpfoten und dann die Hinterpfoten. An diesem schönen Morgen ging die Sonne gerade auf und der Himmel war noch ein bisschen rot. Die Luft war lauwarm und der Wind wehte ihr sanft um die Nase. Nachdem sie sich ausgiebig gestreckt hatte, war sie hellwach.

Nun musste sie sich Sorgen um ihr Frühstück machen. Sie ging die Gasse entlang zur Straße. Da es noch früh am Morgen war, spazierten dort nur wenig Leute umher. Es fuhren auch sehr wenig Autos vorbei. Sie schlenderte die Straße entlang und hielt Ausschau nach Futter. Auf einmal quietschten Reifen hinter ihr. Ihr Kopf schnellte herum. Der Autofahrer schaute aus dem Fenster und schrie: „Verdammt!“ Ein kleiner flinker Schatten huschte hinter dem Auto hervor und verschwand in den Nebenstraßen.

Kitty rannte dem Schatten hinterher, sie war aber auch zu neugierig. Als sie um die Ecke schaute, sah sie, wie der Schatten ihr entgegen rannte. Der Schatten war eigentlich eine weiß-rot-schwarze kleinen Katze. Kitty ergriff auch sofort die Flucht, schließlich verfolgten zwei große Hunde die beiden Katzen. Diese Dobermänner hatten ein Halsband um, an dem eine Leine hing. Ihr Fell war gepflegt und gebürstet. Sie machten den Eindruck, als wären sie irgendwo ausgerissen.

Die vier Tiere wetzten die Straße entlang. Doch lange konnte Kitty das nicht durchhalten. Ihr ging langsam die Puste aus und der anderen Katze anscheinend auch. Sie brauchten eine Möglichkeit um vor den Hunden zu fliehen. Sie bogen ab in den Park. Dann rannten sie unter einer Bank hindurch. Die dummen Hunde versuchten das natürlich auch, doch sie waren zu groß und blieben stecken. Die beiden Kätzchen gingen inzwischen gemütlich weiter.

„Danke“, sagte die fremde Katze.

„Wofür?“, fragte Kitty.

„Dafür, dass du mich vor den schrecklichen Hunden gerettet hast“, erwiderte sie.

„Gern geschehen. Wie heißt du eigentlich ?“ fragte Kitty neugierig.

„Ich bin Minka und du?“ stellte sich die fremde Katze vor.

„Ich heiße Kitty.“

Sie kamen zu einem Restaurant. Minka sagte: „Warte kurz auf mich, ich bin gleich wieder da.“. Ein paar Minuten später kam sie mit einem großen Hähnchen zwischen den Zähnen wieder.

„Wie hast du das gemacht?“, fragte Kitty überrascht.

„Kinderspiel“, erwiderte Minka. Danach setzten sie sich hin und aßen es auf.

Als sie fertig waren, spazierten sie noch eine Weile den Weg entlang. Dann sagte Minka plötzlich: „Ich habe eine Überraschung für dich!“ Sie führte Kitty in eine schmale Seitenstraße, einer sehr dreckigen Sackgasse. Minka sprang auf die Mülltonnen und dann auf die Mauer am Ende der Straße. Kitty folgte ihr. Minka hüpfte auf das Dach. Als Kitty auch hochsprang, war sie überwältigt. Von hier aus hatte man einen wunderschönen Blick auf die Stadt, in der man viele Menschen, Autos und Häuser sah. Es war fantastisch.

„Und das ist noch nicht alles!“, sagte Minka geheimnisvoll.

Sie sprangen herunter und liefen lange umher. Es war eine schöne Stadt und der schönste Tag in Kittys Leben, denn sie hatte eine Freundin gefunden. Sie kamen auf einen Markt, auf dem viel los war: Die Händler boten ihre Ware an, Leute liefen umher und dazwischen fuhren Autos. Sie drängelten sich zwischen den Menschenbeinen hindurch und dann sahen sie es, das weite, große Meer. Es schimmerte türkisblau und man sah einige Schiffe darauf. die Katzen waren an einem Hafen.

Doch dann erklang direkt hinter ihnen lautes Gebell. Sie drehten sich erschrocken um. Hinter ihnen standen wieder die zwei Hunde und fletschten die Zähne. Sie sahen sogar noch gefährlicher aus als beim letzten Mal. Die zwei kleinen Katzen rannten um ihr Leben, schnellten zwischen den Ständen, Menschen und Autos hindurch. Die Hunde waren bei weitem nicht so geschickt. Sie warfen alles um, was ihnen im Weg war. Hinter ihnen sah es aus, als hätte ein Tornado gewütet. Die Leute sprangen erschrocken zur Seite, Autos hupten. Es herrschte Chaos.

„Da!“, schrie Kitty, die schon ganz aus der Puste war,

„Ein Schiff, dort retten wir uns.“.

„Schnell, es legt gleich ab!“, fügte Minka hinzu.

Sie sprinteten zum Schiff, nur noch ein paar Meter. Das Schiffshorn ertönte. „Spring!“, schrie Minka.

„Und wenn wir ins Wasser fallen?“, fragte Kitty ängstlich.

„Dann haben wir Pech gehabt!“, erwiderte Minka.

Die Planke wurde gerade hochgezogen. Sie sprangen...

 

Gerettet !

 

Für ein paar Sekunden schwebten sie in der Luft. Die Planke bewegte sich immer weiter von ihnen fort. Dann begann die Schwerkraft zu wirken. Ganz langsam fielen sie nach unten. All dies kam Kitty wie in Zeitlupe vor und irgendwann tauchten sie ins Wasser. Es war nass und kalt. Das letzte, was Kitty hörte, war das Bellen der Hunde. Sie schloss die Augen. Mit den Pfoten ruderte sie so gut es ging, doch nach einer Weile ging sie unter.

Dann kam Minka wieder hoch. Sie spuckte das Wasser aus und hielt Ausschau nach Kitty. Doch Kitty war nicht da. Sie strampelte weiter mit ihren Pfoten, danach holte sie tief Luft und tauchte noch einmal hinab. Unter Wasser öffnete sie die Augen. Es war alles verschwommen. Sie schaute nach unten. Dort lag Kitty, auf den Meeresboden gesunken. Zum Glück war das Wasser nicht sehr tief. Höchstens ein bis zwei Meter. Minka kam noch einmal hoch, schnappte Luft und ging dann wieder hinunter. Unter Wasser packte sie Kitty am Nacken und versuchte sie hochzuziehen. Zum Glück war Kitty nicht sehr schwer, sie war ja noch eine junge Katze. Minka bemühte sich sie hochzuziehen, aber das war gar nicht so leicht. Sie zerrte, zog und paddelte mit allen vier Pfoten.

Sie kamen nur langsam voran. Minka hoffte, dass Kitty nicht tot war. Als sie auftauchten, spuckte Kitty das ganze Wasser aus, das sie geschluckt hatte. Nun fing auch Kitty an, ungeschickt mit den Pfoten zu paddeln. Spuckend und nach Luft ringend kamen sie schließlich am Strand des Hafens an. Dort ließen sie sich in den Sand fallen. Sie waren erschöpft, froren und ihr Fell war durchnässt. Deshalb ruhten sie sich ein wenig aus, ehe sie aufstanden und ihr Fell schüttelten.

Danach suchten sie sich ein trockenes und geschütztes Plätzchen, das sie in einem Busch unter einem Baum fanden. Nach dem sich Kitty etwas aufgewärmt hatte, fragte sie: „Wieso rennst du hier eigentlich so allein durch die Straßen?“

„Ich bin hier auf einer Mission. Ich muss die verschwundene Prinzessin vom Land der Katzen finden. Sie ist verlorengegangen, als sie noch ein kleines Kätzchen war. Das ist jetzt einige Monate her. Vor kurzem habe ich den Auftrag bekommen sie zu suchen.“

„Was für ein Land der Katzen denn und welche Prinzessin?“, fragte Kitty neugierig.

„Sag bloß du kennst das Land der Katzen nicht!“

„Woher soll ich es denn kennen und wo liegt es überhaupt?“

„Morgen werde ich es dir zeigen, lass uns erst einmal schlafen.“

Danach rollten sie sich zusammen. Aber Kitty dachte noch ein wenig nach.

„Werden wir die Prinzessin jemals finden? Wenn es eine Prinzessin gibt, muss es doch auch eine Königin und einen König geben, oder nicht? Wer mag wohl die Prinzessin sein und wo war sie?“ So grübelte sich Kitty in den Schlaf.

 

Ein sehr seltsamer Traum

 

Als die Nacht vorüber war, färbte sich der Himmel rot und die Sonne ging auf. Die ersten Sonnenstrahlen weckten die Katzen auf. Sie gähnten und streckten sich. „Woher kommst du eigentlich Kitty?“, fragte Minka.

„Von dort, wo du mich gefunden hast. Ich ziehe dort in der Gegend umher. Ich bin eben eine Straßenkatze. Und was ist mit dir?“

„Ich wurde im Land der Katzen geboren. Meine Mutter hat mich vor ein paar Tagen auf die Suche nach der Prinzessin geschickt.“, antwortete Minka.

„Wie sieht die Prinzessin überhaupt aus?“

„Wie eine normale Katze eben, aber genauer weiß das nur einer, nämlich die Königin. Aber sie wurde von einer schrecklichen Kreatur entführt, kurz nach der Geburt der Prinzessin. Sie ist genauso plötzlich verschwunden wie der König vor ein paar Wochen.“

„Was ist das für eine Kreatur?“

„Niemand weiß das so genau. Es geht aber das Gerücht um, dass es aus der Seele des bösesten Menschen, der je gelebt hat besteht. Man sagt, dass er in einem einzigen Leben über eine Million Katzen ermordet und gequält hat.“

Als sie Kittys große Augen sah, fügte sie hinzu: „Natürlich ist das nur ein Gerücht. Es weiß auch niemand, ob es wahr ist, aber die Möglichkeit besteht.“

„Weißt du denn auch wie dieses Ding aussieht?“, fragte Kitty ängstlich.

„Niemand, den wir jetzt fragen könnten weiß es ganz genau. Einige sagen, dass es aussieht wie der Teufel persönlich. Mit langen Hörnern, Schwanz und Hufen, aber du kannst es glauben oder nicht, wie gesagt, darüber ist nicht viel bekannt. Dieses Wesen versteckt sich auch immer. Nun lass uns aber aufbrechen, denn du siehst, ich weiß auch nicht viel mehr als du.“

Dann brachen sie auf.

Sie liefen durch die halbe Stadt, doch wenn Kitty fragte, wie weit es noch sei, so antwortete Minka: „Wirst du noch sehen!“. Kitty ärgerte sich sehr darüber, aber schließlich musste sie sich doch damit abfinden. Als sie um eine Ecke bogen, sah Kitty ein riesiges Gebäude, es war über 20 Stockwerke hoch. Kitty blieb staunend stehen. Sie schaute es sich genau an.

Es war ein blau - weißes Haus mit vielen Balkons. An manchen hingen schöne, bunte Blumen und andere waren ganz kahl. Es wirkte sehr mächtig zwischen den anderen kleinen, sechsstöckigen Hochhäusern. Plötzlich hörten sie ein bekanntes Gebell. Kitty wusste, dass sie es schon einmal gehört hatte. Sie überlegte nur wo. Suchend schaute sie über den Platz, doch sie sah nichts. Jetzt fiel es ihr wieder ein. Es war im Hafen, kurz bevor sie ins Wasser fiel. War dieses Zusammentreffen ein Zufall oder etwa nicht? Sie schaute hinüber zu Minka. Minka war immer noch mit Grübeln beschäftigt. Auf einmal wurde alles dunkel um Kitty. Dann fielen ihr die Augen zu und sie kippte um. Reglos auf dem Boden liegend träumte sie etwas Merkwürdiges.

 

Sie und Minka standen in einer fremden Gegend, wo Kitty noch nie gewesen war. Es war sehr schön dort. Die Blumen blühten und das Gras war saftig grün. Kitty entfernte sich von Minka. Sie sprang im Gras umher und schnupperte hier und dort ein bisschen. Manchmal jagte sie auch Käfer oder Schmetterlinge. Das fand Kitty sehr lustig. Sie war berauscht von der Schönheit dieser Wiese.

Plötzlich stand vor ihr ein fremdes Wesen, das wie aus dem Nichts auftauchte. Es war das Schönste, was Kitty jemals sah. Es war eine Katze, aber nicht irgendeine, nein, es war eine besondere Katze. Sie hatte silbernes Fell, war kräftig und doch geschmeidig. Ihr Fell war glatt und weich. Noch etwas Besonderes war, dass sie Flügel hatte. Ihre Flügel waren sanft, seidig, und aus purem Gold. Sie hatte sehr große Flügel, die gut zu ihrem Äußeren passten. Diese Katze saß dort, vor ihr, auf der Wiese und ihre Flügel glitzerten in der Sonne. Ihre Augen funkelten wie Bernsteine. Es schien alles an ihr mit größter Genauigkeit aufeinander abgestimmt zu sein. Kitty stürmte auf das Wesen zu und wollte es kennen lernen. Sie war von Natur aus ein neugieriges Kätzchen. Außerdem zog das Wesen sie irgendwie magisch an. Kitty kam dem Wesen immer näher. Das fremde Tier rührte sich aber nicht von der Stelle, es blieb wie eine Statue stehen.

Dann geschah etwas Unerklärliches, das Kitty nie wieder vergessen würde. Das Wesen begann sich zu verändern. Zuerst wurden die Flügel aschgrau und erstarrten zu Stein. Dann zerfielen sie und wurden vom Wind weg geweht. Danach verschwand die silberne Farbe aus dem Fell und es wurde so schwarz wie die Nacht. Die Augen wurden feuerrot und begannen zu glühen. Es wurde immer größer und schien in den Himmel zu wachsen.

Aus der sanften Katze schien ein wildes und gnadenloses Raubtier geworden zu sein. Ein tiefes Knurren kam aus der Kehle. Die oberen Eckzähne wurden immer länger, wie die eines Säbelzahntigers. Es riss sein riesiges Maul auf, brüllte, dass einem das Herz stehen blieb und zeigte seine furchtbaren Todeswaffen. Dieses Ungeheuer stand vor ihr, furchterregend und lebensgefährlich. Dagegen hätten die Hunde wie die liebsten Tiere der Welt ausgesehen. Es hob seine mächtige Pranke, zog seine messerscharfen Krallen aus und wollte Kitty gerade den Gnadenstoss versetzen...

 

Eine Jagd auf Leben und Tod

 

Da schlug Kitty die Augen auf. Sie war von Angst erfüllt. Ihre Augen waren riesengroß. Sie richtete sich auf und schaute sich um. Sie lag noch an derselben Stelle, wo sie umgefallen war.

Minka starrte sie fragend an, dann sagte sie: „Du siehst aus, als hättest du gerade ein Gespenst gesehen!“

„Glaub mir es war noch viel schlimmer! Ich hatte gerade den schlimmsten Alptraum, den man nur haben kann.“

Danach begann sie alles zu erzählen, was sie geträumt hatte. Minka sagte, dass Kitty bestimmt über zehn Minuten weggetreten war.

„Na ja, zum Glück war es nur ein Traum. Ich dachte schon du wärst tot! Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt!“, schimpfte Minka.

Dann ertönte wieder das Gebell der Hunde. Zuerst hörte man sie nur, dann sah man sie auch. Sie kamen erschöpft und mit heraushängender Zunge angerannt. Diesmal sahen sie nicht so gepflegt aus, ihr Fell war schmutzverklebt.

„Wieso verfolgen die uns?“, fragte Kitty.

„Das erkläre ich dir später, und zwar wenn wir in Sicherheit sind.“, antwortete Minka und sie rannten los.

Die Hunde waren schon sehr nahe.

Kitty dachte, „Ach wenn ich nur so schnell rennen könnte wie ein Gepard!“

Danach sagte sie zu Minka: „Spring auf meinen Rücken!“

„Was? Ich höre ja wohl nicht richtig, oder hast du Fieber?“

„Mir geht es ausgezeichnet und nun mach schon, sonst sind wir Hundefutter!“

Kitty wusste eigentlich selbst nicht warum sie das sagte, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es richtig war. Minka hatte sich schließlich doch entschlossen klein bei zu geben, es war ja auch ihre letzte Hoffnung. Mit einem komischen Gefühl, dass es nicht richtig war, stieg sie auf Kittys Rücken. Dann rannte Kitty los, die Hunde waren nun schon bis auf wenige Meter bei ihnen. Anfangs rannte Kitty sehr langsam, denn Minka war nicht gerade so leicht wie eine Feder. Minka hatte riesige Angst, denn die Hunde kamen immer näher. Doch trotzdem sagte Kitty nicht, dass Minka absteigen soll.

Aber dann wurde Kitty immer schneller. Bald flog sie wie ein Pfeil dahin. Der Wind rauschte an ihr vorbei. Es schien, als würden sie fliegen. Die Häuser an den Seiten waren verschwommen. Man sah nicht viel mehr als undeutliche Farbpunkte. Minka hielt sich krampfhaft an Kitty fest. Der Wind peitschte beiden ins Gesicht. „Wir müssen in das Hochhaus dort!“, schrie Minka gegen den Wind. Kitty wusste zwar nicht wieso, aber jetzt war nicht die Zeit um Fragen zu stellen. Erst mal mussten sie die schrecklichen Hunde loswerden. Kitty steuerte das Hochhaus vor ihr an.

Eine Frau, die gerade kam, ging auch zum Hochhaus. Sie kramte in ihrer Tasche, holte den Schlüssel raus und schloss auf. Zum Glück machte sie die Tür hinter sich nicht zu, denn das war ihre Chance. Sie mussten es einfach schaffen, sonst waren sie den Hunden ausgeliefert. Kitty wurde immer schneller und ihre Sprünge immer größer und weiter. Sie schien den Boden überhaupt nicht mehr zu berühren. Sie waren jetzt nur noch wenige Meter von der Tür entfernt und einen guten Vorsprung vor den Hunden hatten sie auch. Die Tür fiel langsam zu. Endlich hatten sie die Tür erreicht. Aber sie war nur eine kleinen Spalt offen, wo sie nicht durchpassten. Minka steckte ihre Pfote in den Spalt, zog sie zu sich heran und schon war der Spalt breit genug. „Wahnsinn!“, die Verblüffung konnte Kitty nicht unterdrücken. Sie schlüpfte hindurch und Minka hinterher. Als sie im sicheren Haus waren, beobachteten sie die Hunde.

 

Der Abgrund

 

Aber was dann geschah, konnten sie überhaupt nicht begreifen. Sie hatten den Hunden gegenüber einen sehr guten Vorsprung gehabt. Doch leider kam noch eine andere Frau von draußen. Die Frau, die ihnen die Tür aufmachte, hatte sie auch gesehen. Sie war gerade dabei ihren Briefkasten zu leeren. Sie ging zur Tür und hielt sie der Frau auf. So konnten die Hunde auch durch die Tür schlüpfen. Die Katzen waren so fassungslos, dass sie sich nicht bewegen konnten. Die Hunde bauten sich vor ihnen auf. Sie fletschten die Zähne und knurrten. Ihre kleinen spitzen Ohren waren angelegt. Sie sahen sehr gefährlich und wütend aus. Ehe sich die Hunde rühren konnten, hatten sich die Katzen wieder gefangen. Sie sprangen den Hunden entgegen und verpassten ihnen ein paar Kratzer auf die Nase und huschten die Nottreppe hinauf, denn das war ja wirklich ein echter Notfall.

Die Hunde standen noch ein Weilchen da und konnten es immer noch nicht fassen. So bekamen die Katzen einen kleinen Vorsprung. Danach setzten sie den Katzen nach. Minka war wieder auf Kittys Rücken gesprungen und fegte die Treppen hoch. Im zehnten Stock hörten sie die ungefähr zwei Stockwerke unter ihnen laufenden Hunde schnaufen. Ja, sie waren erschöpft. Im Gegensatz zu Kitty, die nicht das geringste Anzeichen von Schwäche zeigte. Sie lief in genau dem gleichen Tempo, wie sie angefangen hatte. Sie schwebte die Treppen in der gleichen Geschwindigkeit hoch, wie unten auf der Straße. Die Hunde wurden immer langsamer und schwächer. Kurz vor dem Dach blieben sie stehen um zu verschnaufen. Ihre Beine knickten gegen ihren Willen weg und sie blieben nach Luft ringend liegen.

Kitty und Minka waren inzwischen auf dem Dach angekommen.

„Bist du verrückt! Wir sitzen in der Falle! Sie werden uns umbringen!“, schrie Kitty zornig.

„Keine Angst, hier wollte ich doch her!“, entgegnete Minka seelenruhig.

„Und was wolltest du hier?“

„Hier kommen wir ins Land der Katzen.“

„Und wie?“

„Ähm, nun ja, bitte erkläre mich nicht für verrückt, aber...“

Minka konnte ihren Satz nicht beenden, denn die Hunde stürmten aufs Dach. Sie rannten ihnen entgegen mit heraushängender Zunge. Ihre Ohren flatterten im Wind. Die beiden Katzen drehten sich erschrocken um. Kitty blickte die Hunde angsterfüllt an und wendete sich schließlich zu ihrer einzigen Fluchtmöglichkeit um, der schrecklichen Tiefe. Es war ein furchtbarer Anblick. Klitzekleine Menschen liefen über den Platz. Den Autolärm hörte man sogar hier oben noch, nur etwas leiser. Alles war so schrecklich klein.

Dabei wurde Kitty etwas schwindelig. Sie kauerte sich auf den Boden. Dann schaute Kitty Minka an. Ihr Blick sprach Angst und Ratlosigkeit zugleich aus. Den einzigen Satz, den Kitty zustande brachte war: „Wir werden sterben!“

Minka sagte ganz ruhig: „Spring einfach!“

„Bist du wahnsinnig geworden, das ist glatter Selbstmord!“

„Nein, und nun komm endlich!“, sagte Minka beleidigt und stellte sich an den Rand des Hochhauses.

Offenbar erging es ihr nicht anders als Kitty, denn nach dem sie hinunter geschaut hatte, musste sie sich auch hinsetzten. Sie drehte ihren Kopf um und flehte: „Bitte, komm!“ Kitty setzte sich auch an den Rand, war aber noch nicht ganz entschlossen. Sie schaute sich noch einmal nach den Hunden um. Die lagen seelenruhig auf dem schmutzigen Boden und warteten darauf, was jetzt passieren würde. Minka sagte: „Auf die Plätze! Fertig! Los!“ Bei „Los“ sprang sie vom Haus hinunter in die Tiefe.

 

Ein schrecklicher Fall

 

Die Hunde kamen nun langsam näher. Kitty überlegte nicht lange, dann hatte sie sich entschlossen. Sie vertraute Minka und sprang. „Ich will lieber mit meiner besten Freundin sterben, als alleine.“, sagte sie zu sich selbst. Es war fast genauso wie damals, als sie noch aufs Boot springen wollten. Nur dass der einzige Gedanke, den Kitty fassen konnte, war: „Wir werden sterben!“. Außerdem dauerte der Flug länger, schließlich war das Haus ja auch größer als der kleine Steg auf dem Hafen. Der Wind peitschte ihr ins Gesicht, so dass sie nichts sehen konnte. Sie konnte ihren Kopf auch nicht drehen, denn der Wind war so stark. Ihre Beine waren starr und ihr Schwanz senkrecht in die Höhe gestreckt. Sie bewegte sich nicht. Sie fiel einfach hinunter wie ein Stein. Ihre Augen waren zusammen gekniffen.

Sie wusste, dass sie jeden Moment aufschlagen und in tausend Stücke auseinander fliegen würde. Es war einfach schrecklich zu wissen, dass das letzte Stündlein geschlagen hat und man nur darauf wartet, dass es endlich vorbei ist. Als sie schon ein Weilchen geflogen war, wurde ihr immer kälter. Ihre Beine wurden auch langsam steif. Sie merkte wie sie immer schneller wurde. Es mussten schon über hundert Stundenkilometer sein. Langsam spürte sie ihre Pfoten nicht mehr. Sie überlegte, ob sie starb, wenn sie auf dem Boden zerschmetterte oder schon im Flug? Die Kälte arbeitete sich von unten nach oben vor. Vielleicht würde sie auch zu einem Eisblock gefrieren und ihr würde nichts passieren wenn sie aufschlüge. Aber wer würde sie wieder auftauen? Müsste sie vielleicht ewig gefroren bleiben? Ob die Hunde schon auf dem Weg nach unten waren um sie zu empfangen?

Kitty lauschte, denn die wollte hören wenn Minka aufschlug und ihr jede Sekunde das Gleiche geschehen würde. Sie musste schon über zehn Sekunden geflogen sein. Sie wollte wenigstens versuchen zu schreien. „Minka?“ schrie Kitty so laut sie konnte, doch es kam keine Antwort. Es machte ja vielleicht überhaupt kein Geräusch wenn man aufschlug, oder man konnte wegen des starken Windes nichts hören, oder Kittys Ruf war im Wind und im Lärm erstickt? Dann wäre auch erklärt, warum Minka keine Antwort gab. Oder man gab überhaupt keine Ton von sich, wenn man schrie? Fragen über Fragen, doch keine Antwort dazu. Sie grübelte noch ein Weilchen, dann geschah etwas, womit sie nicht gerechnet hatte.

Sie flog immer langsamer. Dabei taute sie langsam auf. Sie war nun einigermaßen warm. Der graue Himmel verwandelte sich in bildschönes Hellblau. Dann landete sie plötzlich auf einem Baum. Überrascht schaute sie sich um. Sie war in einem wunderschönen Land gelandet. sie hatte es auch schon einmal irgendwo gesehen und sie wusste auch wo, nämlich in dem Traum, den sie gehabt hatte, als sie umgefallen war. Hier waren die gleichen schönen Blumen und das gleiche grüne Gras. Aber dieses schöne Wesen war nirgends zu sehen.

Sie fragte sich, wo Minka wohl sei. „Minka?“, fragte sie vorsichtig.

„Ja?“, ertönte eine bekannte Stimme.

„Was ist passiert? Sind wir schon im Himmel?“

„Nein, natürlich nicht! Wir sind im Land der Katzen.“

„Was? Ich dachte jetzt ist Endstation!“

„Aber nur so kommt man hinein!“

„Was? Ist dir klar, dass ich Todesangst hatte?“, meckerte Kitty.

Nachdem sich Kitty wieder beruhigt hatte, sagte Minka: „Komm ich muss dir meine Mutter zeigen.“

Dann gingen sie los. Minka wusste wo sie ihre Mutter fand, aber Kitty nicht. Für Kitty war alles neu.

Während der Reise unterhielten sie sich.

„Warum folgen uns die Hunde?“, war die erste Frage, die Kitty stellte.

„So genau weiß ich das ja auch nicht, aber manche Katzen sagen, dass der, der die Prinzessin sucht, wenn er sie findet, von zwei riesigen Hunden verfolgt wird. Und, dass die Hunde Anhänger der schrecklichen Kreatur sind. Aber das stimmt wohl nicht, denn wir haben die Prinzessin ja noch nicht gefunden.“

„Aber was mich noch interessieren würde: Wieso kannst du so schnell rennen?“, fragte jetzt Minka.

„Ich wusste es auch nicht eher als du. Ich fand es sehr seltsam. Und übrigens, mein Magen knurrt, hast du nicht auch schon langsam Hunger?“

„Eigentlich schon. Also, Ich gehe hier lang und du dort entlang. Wir treffen uns wieder hier, wenn die Sonne untergeht.“

„Bis dann und viel Erfolg!“

„Dir auch! Tschüs!“, verabschiedeten sie sich und gingen los.

 

Ein furchtbares Treffen

 

Kitty ging nicht sehr lange, da war plötzlich ein großer Wald vor ihr. Hier muss doch etwas zu finden sein, dachte sie. Nach kurzer Zeit hatte sie auch einen Kaninchenbau aufgestöbert. Sie hockte sich davor und wartete. Es war schon eine Stunde vergangen, doch sie wartete weiter. Sie war schließlich eine Katze und die ist geduldig. Nach einer Weile kam das Kaninchen aus seinem Bau rausgehoppelt. Es blieb kurz sitzen, stellte sich auf seine Hinterpfoten und lauschte. Nachdem es nichts gefährliches gehört hatte, setzte es seine Vorderpfoten wieder auf den Boden und hoppelte es noch ein Stück.

Aber weit kam es nicht, denn Kitty nahm die Verfolgung auf. Sie duckte sich und ihr Schwanz zuckte wild hin und her. Die Augen fixierten das Opfer und jeder Muskel war gespannt. Sie schlich sich lautlos so nahe an das Kaninchen heran wie es ging. Ihr Kopf drehte sich von einer Seite zur anderen, so maß sie die Entfernung für einen exakten Sprung aus. Doch urplötzlich hörte sie auf damit und blieb nur starr vor Angst stehen. Kein Muskel bewegte sich, es war Totenstille.

Das Kaninchen verschwand spurlos. Übrig blieb nur sein Schatten und der nahm plötzlich die Umrisse eines Menschen an. Er hatte weder ein Gesicht noch andere Details, doch trotzdem spürte Kitty, dass er lebte.

„Endlich habe ich dich gefunden, Elisabeth!“ hauchte die Kreatur. Sie hatte eine tiefe, raue und leblose Stimme. Dann erschienen neben ihr auch die Hunde, die Kitty schon so oft gesehen hatte. Sie knurrten, fletschten die Zähne und legten die Ohren an, genauso wie sie es bei jeder Begegnung gemacht hatten.

„Fangt sie und tötet sie dann!“ befahl die Kreatur. Das war das Startzeichen für Kitty. Sie überlegte nicht lange, sondern preschte einfach drauf los. In zwei Sekunden beschleunigte sie von null auf hundert, wie ein Gepard, nur dass sie es länger durchhielt. Sie flog zwischen den Bäumen hindurch. Ja! Sie fegte sie regelrecht um! Aber die Hunde waren auch nicht gerade lahme Schnecken! Nachdem sie um eine Ecke bog, machte sie einen verhängnisvollen Fehler, sie schaute sich um! Sie drehte sich erst wieder nach vorne, als sie die Hunde sah.

Aber ihr Blick fiel auf eine steile Felswand, anstatt auf einen freien Weg. Sie blieb erschrocken stehen, sie hatte doch einen so guten Vorsprung gehabt. Dann hörte sie hinter sich das Hecheln und Schnaufen der beiden Hunde. Danach die Stimme des Schattenwesens: „Du bist gefangen Elisabeth, nun hat dein letztes Stündlein geschlagen!“. Kitty saß in der Falle. Jede Sekunde würde sie sterben. Aber halt! Es verlangte nach einer Elisabeth, nicht nach einer Kitty! Hoffentlich ließ es mit sich reden.

Kitty drehte sich ganz langsam um und blickte zu dem Wesen empor. Sie nahm all ihren Mut zusammen und sprach: „Ihr sucht doch nach einer Elisabeth, nicht?! Ich bin aber Kitty. Ihr müsst mich wohl verwechselt haben!“

„Soso, du bist also Kitty. Mir sagte man Elisabeth. Im Grunde ist es mir eigentlich egal wie dein Name ist! Es ist nur wichtig, dass du stirbst! Ich würde dich unter Tausenden von Katzen wiedererkennen! Oh ja, du bist die, die ich suche und niemand anders! Und nun, stürzt euch auf sie!“ bestimmte das Wesen und die Hunde gehorchten.

Sie gingen langsam auf Kitty zu mit einer furchterregenden Drohstellung. Kitty war vollkommen ratlos. Sollte sie versuchen wegzurennen oder kämpfen? Sie war sowieso verloren, also entschied sie sich, lieber kämpfend als wegrennend zu sterben. So stellte sie sich den Hunden entgegen. Sie hockte sich auf die Erde, legte die Ohren an und knurrte. Ab und zu fauchte und spuckte sie auch. Ihr Schwanz wedelte hin und her. Nun ging ihr Temperament mit ihr durch. Sie wurde zornig. Sie ging mit dem für Katzen typischen Drohverhalten, mit steifen Beinen, auf sie zu. Kurz vor den Hunden blieb sie stehen und wartete auf den ersten Angriff von ihnen. Die Hunde wollten sich gerade auf sie stürzen, doch plötzlich hielten sie inne.

Kitty merkte, wie sie wuchs, immer größer wurde sie. Von dort oben blickte sie in die von Angst gefüllten Augen der Hunde hinab. Sie holte mit der riesigen Pranke weit aus, während die von Angst erstarrten Hunde sich nicht rühren konnten, und schlug sie zu Boden. Sie fielen um, wie zwei Kegel auf der Bowlingbahn und blieben starr liegen. Nur das Schattenwesen stand noch da. sie machte sich lieber schnell davon, solange es noch ging. Sie schoss an der schwarzen Kreatur vorbei und rannte um ihr Leben durch den Wald.

Als der Wald zu Ende ging, erblickte sie eine Wiese. Es war haargenau die gleiche wie in ihrem Traum. Sie rannte glücklich durch die Wiese, denn schließlich musste sie ja doch nicht Abschied von der Welt nehmen. Doch dann erschien wieder das wunderschöne Wesen. Kitty wollte nicht auf das Wesen zugehen, denn jetzt war sie misstrauisch, doch irgendwie musste sie einfach. Das Wesen verwandelte sich auch wieder in ein furchterregendes Etwas.

Kitty bekam es mit der Angst zu tun, denn sie wusste, was gleich geschehen würde. Sie wollte so schnell wie möglich wegrennen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht, sie war wie gelähmt. Nun hob das mächtige Wesen wieder seine Pfote und Kittys Herz raste wie verrückt, denn jetzt war es kein Traum mehr, sondern die Wirklichkeit! Und doch betete sie, dass sie jetzt aufwachen würde. Vielleicht war es ja das Schattenwesen, dass alles eingefädelt hatte und es würde sich gleich zurück verwandeln. Doch dann begann das Ungetüm plötzlich zu flackern. Es sah aus, als wenn man ein schlechtes Bild im Fernseher hat. Nach ein paar Sekunden verschwand es ganz, als hätte jemand den Fernseher ausgeschaltet. Plötzlich durchschlug es Kitty wie ein Blitz: Sie hatte gerade ihren Traum noch einmal erlebt!

 

Gefangen!

 

Als Kitty ein Stück weitergegangen war, hörte sie wieder Hundegebell hinter sich. Sie wollte gerade losrennen, doch es ging nicht. Sie rührte sich nicht vom Fleck. Jetzt war es zu spät. Die Hunde hatten sich um sie herum aufgestellt. Das war das letzte was sie sah, dann fielen ihr die Augen zu. Sie wurde steif und fiel um. Es war genau wie damals, als sie und Minka auf dem Marktplatz waren. Sie träumte diesmal aber etwas anderes...

 

Sie sah wieder diese wunderschöne silberne Katze mit den goldenen Flügeln. Sie war über ein Nest gebeugt mit einem klitzekleinen, silbernen Kätzchen darin. Es war noch sehr jung und die Augen waren noch geschlossen. Kitty vermutete, dass es das Kind der goldenen Katze war. Sie boten einen wunderschönen Anblick. Doch dann erschien hinter ihr das schwarze Schattenwesen. Die Katze blinzelte einmal mit dem rechten Auge und das kleine, silberne Kätzchen verschwand. Die böse Kreatur wollte sich auf die Katze stürzen, doch die bäumte sich auf, zeigte ihre scharfen Krallen, kratzte, biss und spuckte. Jeder stürzte sich auf den anderen. Doch mitten im Kampf fielen der silbernen Katze plötzlich die Augen zu. Sie fiel sofort zusammen. Es schien, als ob sie tot sei. Die Kreatur schleppte die Katze fort...

 

Kitty schlug die Augen auf. Eine kleine Zelle umgab sie. Die Wände waren aus Beton. Kein noch so winziges Fenster war darin. Nur eine Wand bestand aus eng aneinander liegenden Stangen. Sie waren aus Eisen. Hier kam sie endgültig nicht mehr raus. Ihr Ende war nun ganz Nahe. In einer Ecke stand ein Schälchen mit Wasser. Sie ging in die Ecke und überlegte, ob sie daraus trinken solle, denn vielleicht war es vergiftet. Doch da sie eh irgendwie sterben würde, war es ihr gleich wie. Sie beugte gerade ihr Köpfchen hinunter, um zu trinken, da kam eine zarte Stimme aus dem Wasser, die sagte: „Trink nicht!“ Kitty sprang vor Schreck zurück. Sie schaute sich um, doch es war niemand im Raum.

Dann stieg aus der Wasserschale eine Katze empor. Sie schien wohl nur aus Wasser zu sein. Sie war durchsichtig wie kristallklares Wasser. Sie sah etwas merkwürdig aus. Die Katze zwinkerte Kitty zu. „Was bist du?“, fragte Kitty vorsichtig.

„Ich bin eine Wasserkatze, sieht man das etwa nicht? Aber das ist jetzt nicht so wichtig, erst mal müssen wir dich hier herausbringen, sonst bist du tot! Das Schattenwesen will, dass du noch heute stirbst! Also beeile dich. Ich kümmere mich darum, dass du eine Möglichkeit zum Ausbrechen bekommst und du fliehst!“.

Mit diesen Worten sprang sie durch die Gitterstäbe. Sie war schließlich aus Wasser und das konnte überall durch. Als sie draußen war, drehte sie sich noch einmal um und sagte: „Und ehe ich es vergesse, falls etwas schief geht und du dem Schattenwesen über den Weg läufst: Versuche in das Wesen hinein zu springen bevor du umfällst. Vergiss nicht, es geht um Leben und Tod!“ Dann verschwand sie.

Nach ein paar Minuten kam sie mit einem Schlüssel wieder, schloss auf und murmelte: „Viel Glück!“ Kitty sprang hinaus. Sie war überglücklich. Sie ging einen langen, schmalen Gang entlang. Rechts und links waren lauter leere Zellen. Dann hörte sie ein Schluchzen. Sie ging auf die Zelle zu und schaute hinein.

Drinnen saßen zwei Katzen, die ihre Köpfe hoben, als Kitty vorbeilief. Die eine hörte auf mit Schluchzen und beide starrten sie an, als hätten sie ein Gespenst gesehen. Die eine war das wunderschöne Wesen, was Kitty schon so oft in ihren Träumen gesehen hatte. Die andere Katze war ein Kater, auch sehr hübsch, mit langem, goldigen Fell und himmelblauen Augen. „Elisabeth?“, fragte die Katze. Sie wusste wohl nicht, ob es Traum oder Wirklichkeit ist.

Schon wieder so eine blöde Verwechslung, dachte Kitty. „Ich bin nicht Elisabeth, sondern Kitty.“, entgegnete sie, „Wer ist diese Elisabeth überhaupt?“

„Sie ist unsere Tochter, die Prinzessin. Du siehst genauso aus wie sie.“, antwortete die wunderschöne Katze. „Warum bist du denn eingesperrt?“

„Weil dieses Schattenwesen mich auch verwechselt hat. Übrigens wo ist die Prinzessin, ich suche sie?“

„Das wissen wir leider nicht. Ich habe ihr einmal ein lebendes Bild geschickt...“

„Mit dir und wie du dich in ein Monster verwandelst!“, beendete Kitty ihren Satz.

„Genau, aber es kann doch nicht falsch angekommen sein! Meine Tochter?“

„Ja?“, sagte Kitty wie im Traum.

Sie konnte es einfach nicht fassen! Sie war die Prinzessin! Und das ihre Eltern! Dann geschah etwas, was Kitty aus ihren Gedanken riss. Die Tür ging auf und das Schattenwesen trat ein. Kitty überlief es wie ein kalter Schauer.

 

Die Flucht

 

Als sie dem Wesen Auge in Auge gegenüber stand, schwebte sie plötzlich in der Luft. Sie schaute sich vor Schreck um. Das Wesen schien nicht weniger überrascht zu sein als sie. Sie nutzte diese Möglichkeit, indem sie durch den Gang schoss, direkt auf die Kreatur zu und schon war sie darin. Es war eiskalt hier. Lauter Katzenstimmen hallten durch den Körper, wie ein Echo. Es war überhaupt nicht schön hier. alles war dunkel. Man konnte nur in ungenauen Umrissen sehen, was draußen geschah. Sie strengte ihre Augen an und spähte hinaus. Sie erkannte die zwei Katzen in ihrer Zelle. Sie rührten sich nicht. Das Schattenwesen und die beiden Hunde bewegten sich auch nicht. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein.

Das Miauen der Katzen wurde immer kläglicher und ohrenzerreißender. Niemand hielt es hier lange aus. Kitty nahm ihre Kraft zusammen und trat hinaus. Sie sauste zur Tür, wollte gerade hindurch fliegen, doch die Hunde kamen angerannt und stellten sich ihnen in den Weg. Sie wurde wieder größer und schlug die Hunde nieder. Doch den Moment, den Kitty brauchte, um sich um die Hunde zu kümmern, nutzte das Schattenwesen aus um die Tür zufallen zu lassen. Sie verriegelte sich von selbst. Nun saß sie in der Falle. Sie hatte Todesangst.

Hinter dem Schattenwesen trat plötzlich die Wasserkatze hervor. Sie zwinkerte Kitty zu. Das wirkte sehr beruhigend. Kitty trat einen Schritt vor und blickte der Kreatur todesmutig in die Augen. Sie sprach: „Ich habe noch einen letzten Wunsch bevor ich sterbe: Ich möchte noch einmal zu meinen Eltern.“

„Na gut, aber danach werde ich dich umbringen!“

Kitty ging in die Zelle hinein, umrundete die beiden und verabschiedete sich traurig. Alle drei hatten eine betretene Miene. Der Mutter liefen stumme Tränen aus den Augen. Sie waren glasklar und passten gut zu ihren bernsteinfarbenen Augen.

Das Schattenwesen rief Kitty zu sich und sie verließen den Gang und betraten ein enges, kleines Zimmer. Sterben wirst du kleines, armseliges Ding, dachte das Schattenwesen. Es stellte sich mit hochmütigem Grinsen vor das arme Kätzchen und sagte: „Nun ist es soweit!“

Doch dann traute es seinen Augen nicht. Die kleine Katze verwandelte sich plötzlich in die Wasserkatze.

„Nein das ist doch nicht möglich!“, schimpfte das Schattenwesen, „Wo ist Kitty, oder Elisabeth?“

„Schon längst über alle Berge!“, lachte die Wasserkatze und verschwand durch das vergitterte Fenster.

Die Königin, der König und die Prinzessin waren inzwischen auf dem Weg zu der Stelle, wo sich Kitty mit Minka verabredet hatte, denn es wurde schon langsam dunkel.

 

Christine Bülow

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