Sind die jährlichen Impfungen wirklich immer nötig??

 

Katzenimpfungen
Ein Film von Marion Schmidt

Katzen müssen jedes Jahr gegen die wichtigsten Virusinfektionen geimpft werden. Das behaupten jedenfalls die Hersteller der Impfstoffe und viele Tierärzte bei uns. In Amerika wurde diese Impfpraxis in den letzten Jahren heftig diskutiert. Zunehmend wird die Notwendigkeit der routinemäßigen jährlichen Auffrischung bezweifelt. Sie sei wissenschaftlich nicht begründet, sagen die Kritiker. Vorläufiges Ergebnis der Debatte waren neue Impfrichtlinien, nach denen inzwischen an den meisten amerikanischen Hochschul-Veterinärkliniken verfahren wird. Sie beinhalten, dass Katzen in der Regel nicht mehr jedes Jahr, sondern nur noch alle drei Jahre geimpft werden sollen.
Bis vor wenigen Jahren war man der Meinung, Impfungen schadeten nie. Auch wenn sie vielleicht nicht nützen, stellen sie zumindest keine Gefahr dar. Inzwischen weiß man es besser. Gravierende Impffolgen, vor allem die erschreckende Zunahme von Fibrosarkomen, waren schließlich Auslöser der ganzen Debatte. Fibro- beziehungsweise Impfsarkome sind bösartige Tumore, die sich bei Katzen durch Entzündungen an der Einstichstelle entwickeln und die zum Tod führen können. Man schätzt, dass zwischen 1 von 1.000 bis 1 von 10.000 geimpfte Katzen daran erkranken.
Nicht alle Impfstoffe sind für die Katze gleichermaßen gefährlich. Riskant sind vor allem Leukose- und Tollwutimpfungen. Der deutliche Anstieg dieser Sarkomerkrankungen, den wir bei uns verzeichnen müssen, ist in anderen Ländern ausgeblieben. Tierärzte in den Niederlanden zum Beispiel sehen diese Impfsarkome kaum, da dort üblicherweise nicht gegen Leukose und Tollwut geimpft wird.
Impfungen sind ein brisantes Thema. Das wurde kürzlich auch bei einem Tierärztekongress in Düsseldorf deutlich, auf dem die gängige Impfpraxis bei uns erörtert wurde. Trotz der bekannten Risiken und trotz der qualifizierten Argumente, die in den USA zur Herausgabe neuer Impfrichtlinien geführt haben, tun sich hiesige Experten immer noch schwer, eine pauschale Verlängerung der Impfintervalle zu empfehlen. Offenbar hat niemand Interesse an verlängerten Impfintervallen. Prof. Dr. Marian Horzinek von der tierärztlichen Fakultät der Universität Utrecht zu den Gründen: "Es ist die wissenschaftliche Einsicht, die einem sagt, es ist nicht notwendig, jährlich zu impfen. Man könnte mit längeren Intervallen arbeiten, aber weder der Tierarzt, der gerne seinen Klienten einmal pro Jahr sehen will, noch die Impfstoffwerke haben ein Interesse daran, weniger häufig zu impfen." Impfkritiker vermuten, dass vor allem aus ökonomischen Gründen so häufig und oft völlig unnötig geimpft wird. Immerhin erwirtschaftet eine durchschnittliche Tierarztpraxis 30 bis 40 Prozent der Einnahmen aus Impfungen.

Die wichtigsten Impfungen im Einzelnen
Welche Impfungen sind überhaupt notwendig und wie häufig müssen sie verabreicht werden? Bei dieser Frage sind zunächst die so genannten Haupt- oder Kernimpfungen und die optionalen Impfungen zu unterscheiden.

Hauptimpfungen
Katzenseuche (Parovirose oder Panleukopenie) und Katzenschnupfen

Die Hauptimpfungen umfassen Katzenseuche und Katzenschnupfen. Gegen diese beiden Krankheiten sollte jede Katze geimpft sein. Hier empfiehlt das neue Impfschema aus den USA eine Grundimmunisierung im Welpenalter, eine Auffrischung mit einem Jahr und alle drei Jahre eine weitere Auffrischung.

Optionale Impfungen
Diese Impfungen sind nur für Katzen zu empfehlen, die einem wirklichen Infektionsrisiko ausgesetzt sind.

Tollwut
Diese Impfung ist für reine Wohnungskatzen überflüssig. Katzen allerdings, die in einer Tierpension untergebracht oder auf Auslandsreisen mitgenommen werden, müssen geimpft werden. Auch Freigänger, die sich in gefährdeten Gebieten bewegen, sollten geimpft sein. Falls nämlich ein ungeimpftes Tier in Tollwutverdacht gerät, muss es getötet werden. Um dies zu verhindern, muss die ordnungsgemäße Impfung nachgewiesen werden, und die sieht bei uns immer noch die jährliche Wiederholungsimpfung vor. Gegen Tollwut empfehlen die neuen amerikanischen Impfrichtlinien eine Erstimpfung der jungen Katze, dann die zweite mit einem Jahr und anschließend nur noch alle drei Jahre eine Auffrischung. Noch ist in Deutschland ein entsprechendes Dreijahres-Produkt nicht auf dem Markt, allerdings gibt es mindestens einen Impfstoff, der zweijährigen Schutz bietet. In den USA hat man übrigens kurzerhand einen Einjahres-Tollwut-Impfstoff zu einem Dreijahres-Produkt umdeklariert, nachdem nachgewiesen werden konnte, dass die selbe Substanz mindestens drei Jahre lang Immunschutz sichert.

FeLV (Katzenleukose oder Katzenleukämie)
Eine Katze, die nur in der Wohnung gehalten wird, kann sich nicht mit FeLV infizieren. Das Virus wird ausschließlich durch Kontakt zu anderen Katzen übertragen. Reine Hauskatzen brauchen diese Impfung nicht. Sie sollte nur verabreicht werden, wenn sie wirklich notwendig ist, denn gerade bei den FeLV-Impfungen gibt es das Risiko, dass sich an der Einstichstelle ein Fibrosarkom entwickelt.
Die FeLV-Impfung sollten nur Freigänger bekommen oder Katzen, die Kontakt zu FeLV-positiven Katzen haben. Grundsätzlich aber sollte der Kontakt mit einer infizierten Katze vermieden werden. Eine FeLV-positive Katze in einem größeren Bestand sollte immer von den Nichtinfizierten isoliert werden.
Wie häufig gegen FeLV geimpft werden sollte, darüber gehen die Meinungen der Experten auseinander. Prof. Dr. Hans Lutz, Veterinärklinik der Uni Zürich, empfiehlt für Freigänger eine Grundimmunisierung im Alter von neun und zwölf Wochen, dann bis zum Alter von drei Jahren die jährliche Impfung und anschließend längere Intervalle, abhängig davon, wie hoch der Infektionsdruck ist, dem die Katzen ausgesetzt sind.
Je älter eine Katze ist, umso weniger empfänglich ist sie für die FeLV-Infektion. Eine alte Katze sollte daher gar nicht mehr geimpft werden. Bei ihr ist das Risiko, ein Impfsarkom zu entwickeln, größer als das Risiko, sich mit dem Virus anzustecken.


FIP (Feline infektiöse Peritonitits)
Sehr umstritten ist die FIP-Impfung (nicht zu verwechseln mit FIV - Feline Immundefizienzvirus oder Katzen-Aids). Viele Wissenschaftler sind von der Wirksamkeit des Impfstoffes nicht überzeugt und raten deshalb von der Impfung ab. Die Expertengruppe, die die neuen Impfrichtlinien in den USA ausgearbeitet hat, konnte sich in diesem Fall nicht auf eine gemeinsame Empfehlung einigen. Auf dem jüngsten veterinärmedizinischen Kongress in Düsseldorf hat FIP-Experte Prof. Niels Pedersen von der University of California ein eindeutiges Statement abgeliefert: Er halte die FIP-Impfung zwar für absolut harmlos, aber auch für völlig überflüssig und reine Geldschneiderei.

Fazit
Während US-Forscher bereits über lebenslangen Immunschutz mit nur einer Impfung nachdenken, wird bei uns immer noch die jährliche Impfung propagiert. Viele Impfungen werden auch verabreicht, obwohl sie im Einzelfall (zum Beispiel bei reinen Hauskatzen) völlig überflüssig sind. Es scheint schwierig, diese Praxis zu revidieren. Oft sind es aber auch die Katzenbesitzer, die auf die gesamte Impfpalette bestehen. Sie wollen das Bestmögliche und glauben: viel hilft viel. Diese Haltung wird durch die Zunahme der Kombinationspräparate noch gefördert. Sie suggerieren "viel Impfschutz mit nur einem Pieks". Prof. Horzinek sieht diese Entwicklung sehr kritisch: "Das Problem der ganzen Impferei ist darin zu sehen, dass es keine Impfstoffe mehr gibt, die nur aus einer Komponente bestehen. Oder nur sehr wenige, sollte ich sagen. Und wenn man eben einen Dreifachimpfstoff injiziert, wovon die eine Komponente eine lebenslange Immunität zur Folge hat, die andere aber nur eine einjährige, dann ist man immer gezwungen, diejenige Komponente als maßgeblich zu nehmen, die die kürzeste Immunitätsdauer zur Folge hat." Um einerseits für ausreichenden Immunschutz zu sorgen, andererseits aber unnötige Impfungen zu vermeiden, wäre es wünschenswert, dass jedes Tier ein maßgeschneidertes Impfprogramm bekommt. Was es dabei zu bedenken gilt, sollte in einem ausführlichen Informationsgespräch mit dem Tierarzt erörtert werden, der in diesem Punkt hoffentlich auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand ist.
Quelle: WDR Sendung Tiere suchen ein Zuhause vom 7. Januar 2001. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt. - Alle Angaben ohne Gewähr -

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